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5. Abschnitt.

Das Leichte Wanderkajak.

Die folgenden Zeilen behandeln das wichtigste Glied der großen und weitverzweigten Kanufamilie: das Paddelkajak für Wanderzwecke.
Mit Paddelkajak bezeichnen wir nach unseren heutigen Begriffen ein leichtes, elegant gebautes Kajak, das auschließlich Paddelzwecken dient und daher keinerlei Segeleinrichtung trägt. Eine Ausnahme hiervon machen nur die größeren Paddelkajaks für Wanderzwecke, die ein kleines Treibersegel zur Unterstützung der Paddel bei günstigem Rückenwind führen können.
Das reine Paddelkajak ist, oder sollte doch das Ideal eines jeden Naturfreundes sein; denn es ermöglicht ihm, die schönsten und unberührtesten Gegenden seiner Heimat zu durchstreifen; hauptsächlichdie einsamen, aber anmutigen Gegenden, die dem Fußwanderer meistens wegen ihrer Unzugänglichkeit verschlossen bleiben.
Das neuzeitliche Wanderkajak, das hier in Wort und Bild geschildert werden soll, hat viele schätzenswerte Vorzüge für den Wasserwanderer. Der hauptsächlichste Vorteil eines jeden gut konstruierten und gut gebauten Wanderkajaks liegt darin begründet, daß man unter Paddel mit wenig Kraftaufwand das Tempo eines gut trainierten Fußwanderers viele Stunden durchhalten kann; ja, diesen oft in der erreichten Durchschnittsgeschwindigkeit einer Tagesleistung noch übertrifft. Fußwanderer, die an einem Tage, mit dem Rucksack beschwert, 50 km zurücklegen, müssen schon recht kräftige und gut durchtrainierte Sportsleute sein. Im leichten Wanderkajak ist eine Tagesleistung von 50 km nichts Außergewöhnliches. Aber nicht auf Höchstleistungen soll es hier ankommen; denn diese führen nur zu leicht zu ödem Spezialistentum und den mit ihr verbundenen Einseitigkeiten. Dass aber im modernen Wanderkajak derartige Geschwindigkeits- und Dauerleistungen möglich sind und diese Möglichkeiten auch jederzeit ausgenutzt werden können, wenn besondere Umstände es erfordern sollten, ist wertvoll. Der Wasserwanderer im Wanderkajak kann zudem auf seinen Fahrten eine bei weitem umfangreichere Ausrüstung und Vorräte für einige Tage mit sich führen, ohne durch einen schweren Rucksack geplagt zu werden. Aber diesen Vorteil nimmt der Motorradfahrer ja auch für sich in Anspruch, der dafür aber, den Nachteil einer staubigen Landstraße mit in Kauf nehmen muß. Ihm fehlt yor allen Dingen die reine, frische Luft auf Fluß und See, und sein 1m Schmutz und Staub der Landstraße dahinrasendes Vehikel verleitet ihn zu sinnlosem Zurücklegen nur möglichst weiter Strecken und damit zum nervösen Vorüberhasten an den köstlichsten Naturschönheiten.

Die leichten Paddelkajaks ohne Schwert und Segel wollen wir in drei Gruppen einteilen: erstens in die rassigen Kajaks für Trainigszwecke, die von den Rennkajaks abgeleitet sind und den Übergang von diesen zu den Wanderkajaks darstellen; zweitens in die stabileren, nur wenig schwereren Kajaks für Tagesfahrten und drittens in die krätigeren und bequemeren Wanderkajaks für lange Strecken.

Die ersteren sind mit der Zartheit der Rennkajaks gebaut und dementsprechend zu behandeln. Da ihre Decksbreite aber 60 cm nicht unterschreiten darf, sind sie formstabiler wie diese, und von besonders geschickten Kajakfahrern auch für kurze Tagesfahrten zu benutzen. Das Kajak für Tagesfahrten hat bereits 66 cm Mindest-Deckbreite und läßt sich derart ausgestalten, daß es außer den Insassen noch das für eine Tagesfahrt erforderliche Gepäck aufnehmen kann. Auch ist es kräftiger gebaut, so daß es schon etwas härteren Anfor- derungen im Gebrauche genügt, als die Kajaks der ersten Gruppe. Die Vertreter der dritten Gruppe: die Wanderkajaks für lange Strecken sind das wundervolle Sportmittel des Wasserwanderers. Sie sind sowohl in ihrer äußeren Form wie auch in der Bauausführung kräftiger gehalten, als die vorhergehenden bei den Arten, sodaß sie allen Schwierigkeiten und Zufällen, die in wochenlangen Ferienfahrten auf unbekannten Gewässern eintreten können, vollauf gewachsen sind. Der diesem Typ entsprechende Linienverlauf, die stabile Spantform, der kräftige Deckssprung und die weite Eindeckung machen sie zu formstabilen, sicheren Booten, die auch bei viel Wind größere Seenflächen überqueren können und deren kräftige Rumpfverbände und reichliche Plankenstärken allen allgemein und lokal auftretenden Beanspruchungen gewachsen sind. Dabei sind sie trotzdem schnell unter Paddel und kann man bei günstigem Rückenwind einkleines Treibersegel setzen, so daß der Kajakfahrer, ohne Zeit oder Weg zu verlieren, sich in diesem Falle mit Muße dem Genuß der Natur hingeben kann.

Bevor wir zur Besprechung der Kajakrisse dieses Abschnittes schreiten, möchte ich noch einige Worte über den Urtyp unseres modernen Paddelkajaks, den Eskimokajak, sagen.
Wie bereits im ersten Teil dieses Buches mitgeteilt, gilt das Eskimokajak als das Urbild des idealen Einmannbootes. Es ist im Laufe vieler Jahrhunderte von einem primitiven, fast kulturlosem Volk in hartem Existenzkampfe mit der Natur dieser gleichsam abgerungen, ohne daß den Eskimos jene bewundernswerten Kenntnisse der physikalischen und mechanischen Gesetze zur Verfügung stehen, über die wir Kulturmenschen verfügen. Es lohnt daher, sich etwas näher mit den Eskimos und ihren Booten, die Nansen in seinen Büchern vom ewigen Eise so unübertrefflich geschildert hat, zu beschäftigen. Es verlohnt sich ferner, in den erreichbaren Völkerkunde-Museen1) die dort aufgestellten Urkajaks der Eskimos in Augenschein zu nehmen, und ihre Form und 1) Ganz besonders wertvolle Original-Kajaks und -Modelle enthält das Handels- und Seefahrt_Museum im Kromborg-Slot zu Helsingör (Dänemark). 227 Bauweise an den Originalen zu studieren, oder einen Kulturfilm in der Art des sehenswerten "Nanuk" zu besichtigen. Erst dann geht uns das richtige Verständnis für das Wesen der Eskimokajaks und seiner "Fahrer" auf, wie es geschriebene Worte in diesem Maße nicht zu schildern vermögen.
Die Eskimokajaks, wie sie zur Jagd auf offenem Wasser dienen, sind keineswegs kurze Fahrzeuge. Die Länge schwankt von Steven zu Steven gemessen, nach V. E. Tausig, von 5,50 bis 6,20 m. Der Konstrukteur Skene, Nordamerika, gibt die Länge der Kajaks, die an der Südküste Grönlands im Gebrauch sind, mit 5,lO m etwas kürzer an. Er sagt ferner, daß in den verschiedenen Küstenstrichen Grönlands verschieden geformte und daher verschieden seetüchtige Kajaks im Gebrauch sind. Man findet in einzelnen Gegenden Boote mit geringer Seitenhöhe und ranker Spantform; in anderen solche von größerem und seetüchtigeren Modell. Sowohl die spitze V-Bodenform als auch die flache Scharpieform sind vertreten.
Die Breite beträgt etwa 40 bis höchstens 55 cm und die Raumtiefe wechselt von 18 bis 30 cm. Tausig dagegen hat fast stets flachbodige oder nahezu flachbodige und daher form stabile Eskimokajaksgefunden, die in der Mitte des Bodens zum Schutze gegen Treibeis eine äußere, längslaufende Knochenleiste an Stelle des Kiels aufwiesen. Das Eskimokajak ist nach V. E. Tausig so leicht, daß es mühelos von seinem Besitzer viele Kilometer über Land getragen werden kann. Meistens wird zu seinem Bau das leichte, weiße Treibholz verwandt, während zum Bezug der Außenhaut die gegerbten Felle des blauen Seehundes oder der Klappmütze, die als besonders zähe gelten, verwandt werden; siehe auch Fridtjof Nansen, Eskimoleben, Globus Verlag G. m, b. H. Berlin 1921. Dem Beziehen der Boote widmet der Eskimo peinlichste Sorgfalt; denn von dem Grade der Brauchbarkeit seines Kajaks hängt sein Erfolg auf der Jagd unmittelbar ab.
Er verwendet daher stets nur frisch gegerbte und nasse, daher auf das höchste dehnbare Felle, die das Bootsgerippe nach erfolgtem Trocknen prall wie ein Trommelfell überspannen. Nur die um etwa 3 cm erhöhte, durch gebogene Holzreifen gebildete enge Einsteigsöffnung deren Durchmesser sich stets nach der Hüftenweite des Fängers richtet, wird freigelassen.
Die Schnelligkeit, die die Eskimos in ihren Kajaks erreichen, Ist laut Aussage aller Grönlandfahrer eine außerordentlich große. Skene sagt, daß ein Fänger mit seinem Kajak auf einer längeren Strecke es mit einem gewöhnlichen, kleinen Motorboot aufnimmt. Noch erstaunlicher ist die Geschicklichkeit der Eskimos in der Handhabung ihrer Kajaks beim Seehund- oder Walroßfang auf bewegter See und im Kampf mit Wind und Wellen. Unübertrefflich ist der Eskimo in der Handhabung seines Bootes, wenn ihn unversehens ein Sturm überfällt und er vor diesem herfliehend, noch die rettende Küste zu erreichen sucht. Bei schwerem Seegang kentert er freiwillig mit seinem Kajak - Boden nach oben! - um nach dem Hinwegrollen der schweren Sturzsee sich wieder mit Hilfe des Paddels um die Längsachse des Kajaks schwingend, aufzurichten. Ja, es wird behauptet, daß geschickte Kajakleute bei derartigen Vorführungen in ruhigem Wasser dazu nicht einmal des Paddels zur Unterstützung bedürfen, sondern mit einem Stein in der geballten Faust sich nach dem Kentern wieder aufzurichten vermögen.
Es kann also mit Fug und Recht behauptet werden, daß der Urtyp unseres Paddelkajaks, das Eskimokajak, das in seiner Art beste Einmannboot aller Nationen ist.
In Fig. 269 sehen wir nun ein dem Eskimokajak sehr ähnliches Boot vom Reißbrett des amerikanischen Konstrukteurs N. Skene, den "Walroß". Skene hat es nach eigenhändig aufgemessenen Grönlandkajaks entworfen, mit der einzigen Modifikation, daß die Breite um 7½ cm vergrößert wurde - die Originalkajaks waren nur 47½ cm breit -. Ferner ist der Kiel zwecks Erzielung besserer Stabilität an den Enden etwas weniger aufgeholt, wie dann auch die Plichtöffnung um ein geringes größer und daher für den Europäer bequemer gemacht wurde. "Walroß" ist 5,10 m lang, seine größte Decksbreite beträgt 55 cm; es wiegt ohne Inventar nur 20½ kg und kann von Kajakfahrern mit einem Gewicht bis hinauf zu 81 kg benutzt werden. Die Kosten der zum Bau erforderlichen Materialien, wie Holzleisten, Segeltuch, Schrauben und Nägel, Farben und Lack, betragen etwa 42,- Mark und zum Bau des Fahrzeugs soll ein geschickter Amateur wenig mehr als eine Woche benötigen.
Wie der Bauplan, Fig. 269 zeigt, wird das Kajak über Kopf und über Mallen gebaut. Das ganze Gerippe, mit Ausnahme deR Bodenwrangen und der Decksbalken, besteht aus Zedernholzleisten, 20x10 mm im Querschnitt. Zur Außenhaut wird Segeltuch benutzt. Der Boden wird zuerst bezogen und das dazu erforderliche Segeltuch ist etwas schwerer, wie das zu den Seitenwänden verwandte. Mit den Senten ist allerdings recht sparsam verfahren worden; es sind deren nur zwei vorhanden, je eine auf jeder Bodenseite. Dollbaum und Kimmweger sind dafür gitterförmig nach Art eines Brückenträgers versteift. Die dazu erforderlichen Diagonalhölzer werden von innen an Weger und Dollbaum geschraubt, damit sie sich nicht in der Leinwand abzeichnen. Alles weitere ist aus dem Bauplan ersichtlich. "Walroß" ähnelt in seiner äußeren/Form unzweifelhaft den Eskimokajaks, es hat auch in seinen hauptsächlichsten Eigenschaften manches mit diesen gemeinsam; nur daß hier statt der Seehundsfelle, Segeltuch zum Bezug verwandt worden ist.

In Fig. 270 bis 272 ist ein moderner Vertreter eines Paddelkajaks für Trainingszwecke dargestellt. Dieses Kajak weist entsprechend seinem Verwendungszweck außerordentlich scharfe Wasserlinien auf. Die Spantform ist aber keineswegs extrem oder unstabil zu nennen, sie sichert trotz der geringen Decksbreite dem Boot noch genügend Stabilität. Der EntWurf entstand im November des Jahres 1924. Nach den Vorschriften des D.K.V. als Einer für Trainingsfahrten der Kl. I a entworfen, hat es zudem noch den Vorzug, ein Klassenboot zu sein.

Der Bauplan Fig. 271 und der HauptspantQuerschnitt Fig. 272 zeigen, daß das Boot klinker, sehr leicht und dennoch widerstandsfähig mit sechs Planken an jeder Seite, gebaut ist. Die Dicke der Planken beträgt 3 bis 3½ mm; das Material dazu ist Gaboon oder leichtes Mahagoni, bzw. Zedernholz. Das Deck besteht aus zwei breiten Gaboonstücken von 2½ bis 3 mm Dicke. Die dann mittschiffs von Steven zu Steven laufende Naht des Decks ist durch eine flach gerundete Leiste zu verdecken.
Zum Kiel ist hier der Leichtigkeit wegen Kiefernholz gewählt. Auch die Steven, mit Ausnahme des Achterstevenknies, können daraus gefertigt werden. Es ist aber stets darauf zu achten, daß der gekrümmte Vorsteven und das Knie des Achterstevens aus entsprechend gewachsenem Holz geschnitten werden.
Zu den Bodenwrangen wähle man möglichst leichtes Eichenholz. Steht solches nicht zur Verfügung, so genügt auch hierzu Lärchen- oder Kiefernholz. Die Fußbodenbretter und die Seitenborde sollten der Gewichtsersparnis halber nur aus den leichtesten Hölzern angefertigt werden. Aus diesem Grunde läßt man auch bei Kajaks dieser Art nicht nur das vordere, sondern auch häufig das hintere Querschott fort und damit entfällt auch das hintere Decksluk. Doch das sei ganz dem Wunsche des Einzelnen anheim gestellt. Das Kajak, Modell "Seestern", ist für den Trainigsmann und solche Kajakfahrer bestimmt, die sehr hohe Geschwindigkeiten unter Paddel erzielen wollen. Es findet also überall dort Liebhaber, wo ein außerordentlich schnelles und leicht paddelbares Kajak gewünscht wird. Der erfahrene, und im Kajakbau geübte Bootsbauer kann dieses Kajak noch leichter herstellen, wie die aus dem Bauplan und dem Hauptspant- Querschnitt ersichtlichen Maße der Materialstärken es angeben. Man vergesse aber niemals, daß bei einer weiteren Schwächung der schon sehr geringen Materialstärken die Schwierigkeiten des Baues ganz außerordentlich wachsen, und ein solches Boot dann bei nicht ganz tadelloser Bauweise und nicht sorgfältiger Behandlung im Gebrauch nur eine kurze Lebensdauer hat. Es ist bei diesen zart gebauten Kajaks ferner ganz besonders darauf zu achten, daß für den leichten Kiel eine durchaus gerade, nicht windschiefe oder sonst ungeeignete Bohle gewählt wird. Die Oberkante der Helling ist entsprechend dem Verlauf von Unterkante Kiel auszusägen, und der dort hineingepaßte Kiel mittels kleiner Knaggen zu befestigen und auszurichten. Der Bau des Bootes erfolgt am besten aufrecht auf der Helling; also nicht über Kopf, wie es der professionelle Bootsbauer oft zum Schaden eines sauber verlaufenden Scheerstrakes tut.

Abmessungen:
LängeüberAlles 5,000 m
LängeLd.CWL4,545 m
Gr.Breite 0,600 m
BWL.0,550 m
SH mittschiffs 0,265 m
F.mittschiffs 0,165 m